Risiken der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern

Fragen zur Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern einer GmbH, welche gleichzeitig Gesellschafter sind, sind ein Dauerbrenner. Vor dem Hintergrund der immer strenger werdenden Rechtsprechung der Sozialgerichte, was eine mögliche Selbstständigkeit von Gesellschafter-Geschäftsführern angeht, lohnt sich ein Blick auf die aktuellen rechtlichen Anforderungen.

Dies gilt umso mehr, als dass Fragen zur „Scheinselbstständigkeit“ von Gesellschafter- Geschäftsführern im absoluten Fokus der Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung stehen. Was Mandant*innen und Berater*innen im Blick haben müssen, wollen wir nachstehend skizzieren.

Worum geht es eigentlich?

Gesellschafter-Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung können unter bestimmten Voraussetzungen als sozialversicherungsfrei beschäftigt werden. Dies ist in verschiedenen Konstellationen sowohl für den Geschäftsführer als auch für die ihn beschäftigende Gesellschaft durchaus attraktiv.

Die Befreiung für Geschäftsführer erfolgt nicht kraft Amtes, sondern orientiert sich an bestimmten Vorgaben der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung. Diese Vorgaben werden regelmäßig überprüft, etwa von der Deutschen Rentenversicherung.

Die Betriebsprüfung als „Entdecker“

Nahezu jeder Arbeitgeber dürfte bereits von der turnusmäßigen Sozialversicherungsprüfung durch die Deutsche Rentenversicherung betroffen gewesen sein. Diese findet turnusmäßig alle vier Jahre statt. Der Vier-Jahres-Rhythmus hat seinen Grund in der entsprechenden Verjährung. Ansprüche auf Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen verjähren grundsätzlich nach vier Jahren. Nur ausnahmsweise liegt die Verjährung bei 30 Jahren.

Jahrelange Praxis ohne Sicherheit? (Stichworte: Vertrauensschutz/ Bestandsschutz)

Das besonders Unangenehme an der sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfung ist, dass zeitversetzt mehrere Jahre später nachträglich eine andere Einordnung erfolgen kann, als dies der bisherigen Planung und Handhabung der Betroffenen entspricht.

Hier geht es meist auch um nicht unerhebliche Beträge in sechsstelliger Höhe, wie einerseits nachzuzahlende Beiträge und andererseits etwa um zusätzlich abgeschlossene anderweitige Altersvorsorgeregelungen, die ggf. nicht nachträglich und/ oder für die Zukunft anpassbar sind.

Zudem wird hinsichtlich der möglichen unzutreffenden Einordnung von Gesellschafter- Geschäftsführern ein Bestandsschutz in der Regel nicht vorhanden sein. Selbst wenn in vorangegangenen Prüfungen ein Sachverhalt nicht aufgegriffen worden ist, wird dies den Arbeitgeber in der Regel nicht schützen. Im Einzelfall mögen frühere Feststellungen zum Status der Geschäftsführer helfen. Die Durchsetzung von deren Anerkennung ist in der Praxis freilich schwierig, weil die seinerzeitigen Verfahren in der Regel nicht den heutigen Standards und den heutigen formalisierten Verfahren entsprechen.

Bescheide ohne aufschiebende Wirkung

Die Bescheide der Deutschen Rentenversicherung nach einer Prüfung sind in der Regel sofort vollziehbar. Einer Entscheidung geht in der Regel allein eine gesonderte schriftliche Anhörung des Arbeitgebers (bzw. des betroffenen Gesellschafter- Geschäftsführers) voraus, wobei die Betriebsprüfer* innen entsprechende Fragen meist bereits während der laufenden Prüfung mit dem Arbeitgeber besprochen haben, sodass eine Unterstützung etwa durch Mazars möglichst frühzeitig erfolgen sollte.

Widerspruch oder Klage gegen Beitragsbescheide haben keine aufschiebende Wirkung und führen zur sofortigen Zahlungspflicht des Arbeitgebers. Anträge auf Ratenzahlung oder Stundung sind möglich. Sie sind bei den jeweils zuständigen Versicherungsträgern/ Krankenkassen zu stellen. Mit der Unterstützung von Mazars konnten solche Zahlungserleichterungen in Verhandlungen regelmäßig erreicht werden.

Freilich wird allein die lange Verfahrensdauer einschließlich besonders langer Verfahrensdauer bei den Sozialgerichten bei der Überprüfung bereits erlassener Prüfungsbescheide in der Regel dazu führen, dass die geltend gemachten Beiträge bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung der Angelegenheit durch die Sozialgerichte meist beglichen sind. Dann geht es um die Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Beiträge.

Entwicklungen der Rechtsprechung der Sozialgerichte. Wie war es früher? Was ist strenger geworden?

Eine wesentliche Änderung der Rechtsprechung erfolgte im Jahr 2015. Seinerzeit hat das Bundessozialgericht (BSG) seine sogenannte „Kopf und Seele“- Rechtsprechung aufgegeben. Nach dieser hatte das BSG immer dann eine Selbstständigkeit der Geschäftsführer bejaht und damit eine Sozialversicherungspflicht verneint, wenn der betroffene Geschäftsführer maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hatte, beispielsweise aufgrund besonderer Branchenkenntnisse oder familiärer Verbindungen, er kurzum also unabhängig von seinen Geschäftsanteilen als „Kopf und Seele“ des Unternehmens anzusehen war.

In der Folge wurden dann die Vorgaben immer strenger. Fortan sollte es nicht mehr auf die rein faktische Stellung des Geschäftsführers ankommen, sondern auf dessen rein gesellschaftsrechtliche Möglichkeit, gegen Weisungen anderer Gesellschafter vorgehen zu können, um damit seine Unabhängigkeit im Sinn einer selbstständigen Tätigkeit zu dokumentieren.

Heute erreichen praktisch nur detaillierte notarielle und im Handelsregister zugängliche Gestaltungen, bei denen im Vorhinein klare Regelungen für die faktische Machtposition der Minderheits-Gesellschafter- Geschäftsführer geschaffen werden, das Ziel, einen Rahmen zu schaffen, in dem eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht infrage kommt.

Nach der sozialversicherungsrechtlichen Rechtsprechung ist für die Annahme der Selbstständigkeit grundsätzlich eine Beteiligung von mindestens 50 % erforderlich. Ausnahmsweise genügte eine geringere Beteiligung, wenn vertraglich eine „echte“ oder „qualifizierte“, also nicht auf bestimmte Gegenstände begrenzte, Sperrminorität geregelt wurde, die den Gesellschafter in die Lage versetzt, maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschafterbeschlüsse und damit auch auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens insgesamt auszuüben. Hierbei bleiben rein schuldrechtliche Vereinbarungen, die nicht im Gesellschaftsvertrag (oder als im Handelsregister zugänglicher Gesellschafterbeschluss) verankert sind, für die Gerichte in der Regel außer Betracht.

Jüngste Entwicklungen der Rechtsprechung der Sozialgerichte und die 50 : 50-Konstellationen

In der jüngeren Rechtsprechung legen die Sozialgerichte darauf wert, dass ein Gesellschafter- Geschäftsführer nur dann selbstständig ist, wenn er die Geschicke der Gesellschaft umfassend mitbestimmen kann und eine umfassende Gestaltungsmöglichkeit hat. So sagt das Bundesarbeitsgericht:

„Auch bei der Statusbeurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers kommt es nicht allein auf dessen Weisungsfreiheit im eigenen Tätigkeitsbereich an. Vielmehr muss dieser auch in der Lage sein, auf die Ausrichtung der Geschäftstätigkeit des Unternehmens insgesamt Einfluss zu nehmen und damit die GmbH wie ein Unternehmensinhaber zu lenken. Dafür braucht es grundsätzlich eine sich auf die gesamte Unternehmenstätigkeit erstreckende Gestaltungsmacht.“

Die reine Verhinderungsmacht eines Gesellschafter- Geschäftsführers ist damit allein nicht mehr ausreichend. Er muss die Rechtsmacht haben, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können.

Damit stellt sich die Frage, ob in einer GmbH mit zwei Gesellschafter-Geschäftsführern, welche beide 50 % der Stimmrechte/Anteile halten und gleiche Satzungsrechte haben, jeder der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer selbstständig sein kann. Das Bundessozialgericht hat diesen Fall im Lichte seiner jüngeren Rechtsprechung noch nicht explizit entschieden. Es bleibt abzuwarten, wie sich das Bundessozialgericht hier positioniert.

Klarheit hat das Bundessozialgericht jüngst aber bezüglich einer anderen Konstellation geschaffen: In drei parallelen Revisionsentscheidungen hat das Bundessozialgericht klargestellt, dass mangelnde Vertragsbeziehungen das Bestehen einer Sozialversicherungspflicht nicht ausschließen.

Konkret geht es um die berühmten Ein-Personen- GmbHs oder -UGs (bei denen der gleiche Inhaber sowohl alleiniger Geschäftsführer als auch Gesellschafter ist). Wenn dieser nunmehr höchstpersönlich bei einem Auftraggeber „seiner“ GmbH/ UG Leistungen erbringt, wird regelmäßig ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis zum Auftraggeber der GmbH/UG begründet. Die Tatsache, dass lediglich die GmbH/UG eine Vertragsbeziehung zum Auftraggeber hat, ist irrelevant. Die Frage des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung zum Auftraggeber beurteilt sich nach den üblichen Kriterien. Stellt sich die Tätigkeit des „Inhabers“ nach deren tatsächlichem Gesamtbild als abhängige Beschäftigung dar, ist ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht deshalb ausgeschlossen, weil Verträge nur zwischen dem Auftraggeber und der GmbH/UG bestehen (deren alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter der Inhaber ist). *innen sein (mit Schwerpunkt Sozialversicherungsrecht).

Fazit

Der sozialversicherungsrechtliche Status von Gesellschafter-Geschäftsführern ist regelmäßig zu überprüfen. Die Anforderungen der Rechtsprechung werden von Jahr zu Jahr strenger. Insbesondere ist er aber dann zu überprüfen, wenn aus steuerlichen oder rechtlichen Gründen das Set-up der Gesellschaft umstrukturiert wird.

Vergangene Betriebsprüfungen bieten regelmäßig keinen Vertrauensschutz/Bestandsschutz für die Sozialversicherungsfreiheit der Gesellschafter-Geschäftsführer.

Der Arbeitgeber hat für die Überprüfungen fachlich geeignete Berater*innen hinzuzuziehen. Dies können keine Steuerberater*innen sein, sondern müssen Rechtsanwält*innen oder Rentenberater*innen sein (mit Schwerpunkt Sozialversicherungsrecht).

Steuerberater*innen – gerade im Lohnbuchhaltungsmandat – dürfen diese Aufgabe nicht übernehmen. Letzte Sicherheit kann nur ein Anfrageverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung (Statusfeststellungsverfahren nach § 7a SGB IV) oder bei der zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse nach § 28h SGB IV) geben.

Im Rahmen von Betriebsprüfungen ist rechtzeitig und intensiv mit dem*der Betriebsprüfer*in zu sprechen, ehe das (formelle) Anhörungsschreiben der Deutschen Rentenversicherung eintrifft. Ist das Anhörungsschreiben einmal da, kann man oft nichts mehr machen.

Binden Sie den*die Berater*in Ihres Vertrauens also rechtzeitig und regelmäßig ein.

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Dies ist ein Beitrag aus unserem Newsletter „Menschen im Unternehmen“ 2-2023. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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