Verkaufsaufschlag als Teil des Versicherungsentgelts
Problem
Im Falle der sog. Nettoverträge schließt ein Versicherer mit Reiseveranstaltern (als Versicherungsnehmer) jeweils einen oder mehrere Gruppen-Reiseversicherungsverträge ab. Auf der Basis dieser Verträge verschaffen die Reiseveranstalter ihren Reisekunden – als versicherte Personen – zusammen mit den Reiseleistungen Reiseversicherungsschutz (Reiseversicherungen) hinsichtlich verschiedener versicherter Risiken (u. a. Reiserücktritt, Reiseabbruch, Reisegepäck, Auslandsreise-Krankenversicherung).
Die Reiseveranstalter sind gegenüber dem Versicherer zur Zahlung einer bestimmten Versicherungsprämie (zzgl. Versicherungsteuer) verpflichtet. Die Reiseveranstalter vereinnahmen von ihren Reisekunden als Entgelt für die Reiseversicherungen sog. Verkaufspreise. Diese setzen sich aus der „Abrechnungsprämie“ (Nettoprämien), welche der Reiseveranstalter an den Versicherer abzuführen hat, und den „Verkaufsaufschlägen für die Verschaffung des Versicherungsschutzes“, die beim Reiseveranstalter als Erlös verbleiben, zusammen.
Fraglich war, ob das von dem Reisekunden – der versicherten Person – an den Reiseveranstalter als Versicherungsnehmer gezahlte Entgelt (Verkaufspreis) oder lediglich die Abrechnungsprämie steuerpflichtiges Versicherungsentgelt darstellt.
Sachverhalt
Im Streitfall hatte die Klägerin, ein Versicherer, mit Reiseveranstaltern als Versicherungsnehmern jeweils Gruppen-Reiseversicherungsverträge abgeschlossen (Nettoverträge). Auf Grundlage dieser Verträge boten die Reiseveranstalter ihren Kunden in Kombination mit den von ihnen angebotenen Reiseleistungen Versicherungsschutz gegen Reise- und Ferienrisiken an. Die Höhe der Verkaufspreise wurde zwischen der Klägerin und den Reiseveranstaltern abgestimmt und war für die Letztgenannten verbindlich.
Die Klägerin entrichtete nur auf die vom Reiseveranstalter an die Klägerin gezahlten „Abrechnungsprämien“ Versicherungsteuer. Die Finanzverwaltung (BZSt) war hingegen der Auffassung, dass auch der Differenzbetrag zwischen dem vom Reisenden gezahlten Verkaufspreis und der Versicherungsprämie (= „Verkaufsaufschlag“) als „Zahlung von Versicherungsentgelt“ i. S. v. §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Satz. 1 VersStG zu beurteilen sei und damit der Versicherungsteuer unterliege. Gegen entsprechend ergangene Steuerbescheide erhob der Versicherer Klage vor dem FG Köln. Das FG wies die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin wurde vom BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidung des BFH
Der BFH entschied, dass der Verkaufsaufschlag zum versicherungsteuerpflichtigen Entgelt gehört. Nach Auffassung des BFH besteht zwischen Versicherer und Reiseveranstalter eine Vereinbarung, nach der der Reiseveranstalter die Versicherungen anstelle und im Interesse des Versicherers vermarktet und er für diese Leistung regelmäßig eine Vergütung des Versicherers erwarten darf.
Die Entscheidung wurde u. a. damit begründet, dass Versicherer und Versicherungsnehmer den Verkaufspreis der Reisever-sicherung vertraglich miteinander abstimmten, sodass der dem Versicherungsnehmer zustehende Verkaufsaufschlag feststand. Die vertraglichen Regelungen zwischen Versicherer und dem Versicherungsnehmer beinhalten in einem solchen Fall – so der BFH – die konkludente Vereinbarung, dass der Versicherungsnehmer die Vergütung für die Vermarktung der Versicherung vom Versicherer beanspruchen kann, wobei er diese (durch Verrechnung) vom Verkaufspreis einbehalten darf.
Der Verkaufsaufschlag, den der Versicherer dem Versicherungsnehmer danach „belässt“, ist nach Ansicht des BFH die vom Versicherer stammende Vergütung für die Vertriebsbemühungen des Versicherungsnehmers. Dass die Vergütung letztendlich von den versicherten Personen zu tragen ist, ändert daran nichts.
Der BFH sieht offensichtlich in der gewählten Vertragskonstruktion eine Fortsetzung des „traditionellen“ Vertriebsmodells, wonach ein für das Versicherungsunternehmen im Vertriebsbereich tätiges Unternehmen für diese Tätigkeit eine abschlussab-hängige („Erfolgs-“)Provision erhält.
Als weitere Gründe für die Einbeziehung der Verkaufsaufschläge in ein einheitliches Versicherungsentgelt führte der BFH an, dass zum einen mangels dargelegter Berechnungsgrundlage für den Reiskunden nicht ersichtlich ist, dass eine Aufteilung des Verkaufspreises in ein (Teil-)Entgelt „Versicherungsprämie“ einerseits und „Verschaffungsleistung“ andererseits möglich wäre. Zum anderen ist den Reisekunden im Falle einer Absage der Reise durch den Reiseveranstalter der gezahlte Verkaufspreis des Versicherungsschutzes vollständig erstattet worden.
Schließlich hat der BFH ausgeführt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Verkaufsaufschläge auf einer gesonderten Provisionsabrede zwischen dem Versicherungsnehmer und der versicherten Person beruhen (und damit ggf. nicht in das versicherungsteuerpflichtige Entgelt einzubeziehen wären). Insofern konnte dahinstehen, ob selbstständige Provisionsabreden (ähnlich wie bei entsprechenden Vereinbarungen bei Versicherungsmaklern) hier überhaupt versicherungsrechtlich zulässig sind.
Praxishinweise
Offene Betriebsprüfungsfälle bei den Versicherern können nunmehr abgeschlossen werden, soweit vergleichbare Sachverhalte betroffen sind. Dabei sind grundsätzlich auch Fragen der Festsetzungsverjährung zu beachten (in dem o. g. Streitfall wurde die strittige Versicherungsteuer bereits im FG-Prozess um über 20 Mio. Euro wegen Verjährung gemindert).
Es bleibt abzuwarten, ob das BZSt das o. g. Urteil zum Anlass nehmen wird, dieses auf ähnliche Nettoverträge auch außerhalb der Reiseversicherung (ausgenommen ggf. Maklervereinbarungen) anzuwenden. In der Praxis dürften offene Fragen in den Fällen vorprogrammiert sein, in denen die Höhe der Verkaufsaufschläge vonseiten der Reiseveranstalter „frei“ festgelegt wurden bzw. werden. Es wäre zu prüfen, ob derartige Strukturen nunmehr transparent umgestellt werden müssen, um die Versicherer in die Lage zu versetzen, die Entrichtung der Versicherungsteuer ordnungsgemäß durchzuführen.
Im Hinblick auf die Angabepflichten in der Rechnung über das Versicherungsentgelt (§ 7 Abs. 4 VersStG) hat die o. g. Entscheidung Auswirkungen auf die Abrechnung des Versicherungsentgelts (Steuerausweis).
Die Versicherer haben gegenüber dem BZSt in ihren Versicherungsteuer-Anmeldungen die Versicherungsteuer auch aus den o. g. Verkaufsaufschlägen grundsätzlich in allen offenen Veranlagungszeiträumen anzumelden und abzuführen.
Für die zurückliegenden offenen Veranlagungsräume wird sich für betroffene Versicherer und Reiseveranstalter die Frage stel-len, wer zivilrechtlich im Innenverhältnis die etwaige noch zu entrichtende Versicherungsteuer wirtschaftlich trägt (ggf. unter Beachtung von Steuerklauseln).
Schließlich ist die Verjährung (sowohl im Innenverhältnis zwischen Versicherer und Reiseveranstalter als auch hinsichtlich der noch zu entrichtenden Versicherungsteuer) unter Beachtung der besonderen Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 15 AO bei der Auswertung zurückliegender Jahre in jedem Einzelfall gesondert zu prüfen.