Zuschüsse der Gemeinde an Sportvereine können nicht steuerbar sein - BFH-Urteil V R 17/20
Sportverein betreibt Sportanlage der Gemeinde
Eine Gemeinde hatte eine in ihrem Eigentum stehende Sportanlage kostenlos einem Sportverein zur Nutzung überlassen. Der Sportverein hatte sich gegenüber der Gemeinde vertraglich zu verschiedenen Tätigkeiten ium Zusammenhang mit der Bewirtschaftung der Sportanlage verpflichtet, z. B. zur Reinigung und Instandhaltung. In demselben Vertrag verpflichtete sich die Gemeinde, dem Sportverein Betriebskostenzuschüsse zu zahlen. Diese behandelte der Sportverein nicht als steuerbare Entgelte für Leistungen an die Gemeinde, sondern als nicht steuerbare echte Zuschüsse.
Das Finanzamt war anderer Meinung, setzte Umsatzsteuer fest und berief sich dabei auf die von der Rechtsprechung entwickelten und von der Finanzverwaltung übernommenen Abgrenzungskriterien für Leistungsentgelte/echte Zuschüsse: Entgeltliche Leistungen sind steuerbar, wenn zwischen der Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger bestehenden Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die Vergütung den Gegenwert für die Leistung bildet. Zahlungen für die Übernahme der Erfüllung von Aufgaben einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, zu deren Ausführung sich die Parteien in einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet haben, erfolgen grundsätzlich im Rahmen eines Leistungsaustauschs (so auch Abschn. 10.2 Abs. 2 S. 6 UStAE).
Die Klage des Sportvereins hatte keinen Erfolg, das Finanzgericht ging ebenfalls von einem steuerbaren Leistungsentgelt aus.
BFH: Wirtschaftliche Realität ist entscheidend
Der BFH war anderer Auffassung. Die Frage, ob dieser unmittelbare Zusammenhang besteht, ist eine Tatsachenfrage. An die entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz ist der BFH im Revisionsverfahrenung grundsätzlich gem. § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Vorliegend habe das FG aber bei seiner Entscheidung vor allem den Wortlaut des Nutzungsvertrags zugrunde gelegt, ohne den von der Gemeinde verfolgten übergeordneten Zweck zu würdigen. Damit habe das FG maßgebliche Umstände nicht vollständig bzw. nicht ihrer Bedeutung entsprechend in seine Überzeugungsbildung einbezogen, was der BFH im Rahmen der Revision nachholen darf.
Bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Realität dienten nach Auffassung des BFH die Zahlungen der Gemeinde dazu, die Eigennutzung der Sportanalage durch den Sportverein zu ermöglichen. Dass der Sportverein gegenüber der Gemeinde nicht vertraglich verpflichtet war, konkrete Sportangebote vorzuhalten, verdeutliche, dass er die Sportanlage nicht für die Gemeinde, sondern für sich selbst bewirtschaftete. Die Gemeinde habe den Sportverein durch die Zahlungen bei der Verfolgung seiner gemeinnützigen Zwecke unterstützen wollen.
Im Jahr 2009 (19.11.2009, V R 29/08) hatte derselbe Senat des BFH einen auf den ersten Blick ähnlichen Fall anders entschieden: Dort übernahm die Klägerin die Modernisierung und den Betrieb kommunaler Schwimmbäder im Auftrag der Städte und Gemeinden. Die Zuschüsse behandelte der Senat in diesem Fall als steuerbares Leistungsentgelt. Dieses Urteil sei aber auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, weil dort die Klägerin, anders als im vorliegenden Fall, eine Aufgabe der jeweiligen Städte und Gemeinden übernommen hatte. Vom 05.08.2010 stammt ein BFH-Urteil (V R 54/09), das ebenfalls große Ähnlichkeiten mit dem hier besprochenen Sachverhalt aufweist: Ein Verein übernahm dort im Auftrag der Stadt die Verwaltung von Sporthallen, erbrachte damit nach Auffassung des Senats konkrete Leistungen im Interesse der Stadt, so dass der Sachverhalt damit ebenfalls nicht mit dem aktuellen Fall zu vergleichen sei.
Praktische Auswirkungen
Das aktuelle Urteil hat Auswirkungen auf Zuschüsse in allen denkbaren Bereichen – nicht nur auf Zuschüsse zum Betrieb von Sportanlagen. Entscheidend scheint in derartigen Fällen zu sein, in wessen Interesse die Tätigkeit des Unternehmers liegt, wobei die sogenannte wirtschaftliche Realität mehr Gewicht hat, als die vertraglichen Vereinbarungen. Wichtig ist, dass mit diesem Urteil die bisherige Rechtsprechung und auch Abschn. 10.2 Abs. 2 S. 6 UStAE nicht hinfällig, sondern lediglich in ihrem Anwendungsbereich eingeschränkt sein dürften. Wegen der schwierigen Abgrenzung empfiehlt es sich, steuerlichen Rat einzuholen und, zur Vermeidung von Konflikten mit dem Finanzamt, die Verträge von vorn herein so abzufassen, dass sie die wirtschaftliche Realität möglichst gut widerspiegeln.
(Stand: 28.04.2022)