Verzehr an Ort und Stelle: Betriebskantine - BFH-Urteil XI R 2/21

Die Abgabe von Speisen und Getränken kann eine Lieferung oder eine sonstige Leistung sein. Als Lieferung kann sie ggf. dem ermäßigten Steuersatz unterfallen, als „Restaurations-Dienstleistung“ bzw. beim Verzehr an Ort und Stelle gilt jedoch der Regelsteuersatz.

Der V. Senat des BFH hatte sich zuletzt in seiner Entscheidung vom 26. August 2021, veröffentlicht am 2. Dezember 2021 (V R 42/20), mit einem Food-Court in einem Einkaufszentrum befasst (siehe unser entsprechender Webbeitrag). Der XI. Senat entschied nun mit Urteil vom 20. Oktober 2021, nicht-amtlich veröffentlicht am 24. Februar 2022, über eine Betriebskantine – mit nur auf den ersten Blick abweichender Argumentation.

Abgabe von Speisen ist eine Dienstleistung, wenn Dienstleistungselemente qualitativ überwiegen

Nach der Rechtsprechung des EuGH (zuletzt am 22. April 2021 - C-703/19) muss bei einer Restaurations-Dienstleistung der Dienstleistungsaspekt qualitativ bei Weitem überwiegen, und dem Kunden muss eine Infrastruktur, bzw. müssen nach Art. 6 Abs. 1 MwStVO ausreichende unterstützende Dienstleistungen bereitgestellt werden, die den Verzehr an Ort und Stelle erleichtert/erleichtern. Infrastruktur von Dritten spielt nur dann eine Rolle, wenn der Leistende sie sich zurechnen lassen muss. Maßgebend ist die Sicht des Durchschnittsverbrauchers.

Sachverhalt: Betriebskantine mit vielfältig genutztem Pausenraum

In dem Fall, den der XI. Senat entschieden hat, ging es um eine Betriebskantine. Die Gäste der Kantine konnten die dort gekauften Speisen, die zusammen mit Mehrwegbesteck und -geschirr ausgegeben wurden, in einem angegliederten betrieblichen Pausenraum mit Tischen und Stühlen verzehren. Der Kantinenbetreiber berief sich darauf, dieser Pausenraum sei ihm nicht zuzurechnen, weil er nicht nur dem Verzehr der in der Kantine erworbenen Speisen diente, sondern daneben auch von Mitarbeitern eines anderen Betriebs, Handwerkern, Monteuren und anderen als Aufenthaltsraum genutzt wurde. Die Kantine führe daher ermäßigt zu besteuernde Warenlieferungen aus.

Verhältnis zur Food-Court-Entscheidung des V. Senats

Der V. Senat hatte sich im Zusammenhang mit einem Food Court in einem Einkaufszentrum ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die dem Einkaufszentrum gehörenden Tische und Stühle dem Schnellrestaurant zuzurechnen waren. Für den XI. Senat hingegen ist es nicht entscheidend, ob der Pausenraum dem Kantinenbetreiber zuzurechnen ist. Er argumentiert, bereits die Verwendung von Mehrweggeschirr und -besteck seien ausreichende unterstützende Dienstleistungselemente, die den Umsatz insgesamt zu einer Lieferung machen, da hierfür ein gewisser Personaleinsatz für das Herbeischaffen, Zurücknehmen und Reinigen dieses Materials erforderlich sei.

Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Fällen liegt in einem kleinen Detail: dem Geschirr und dem Besteck. Im Food Court wurde Einweggeschirr und -besteck benutzt, das gerade nicht gereinigt werden muss und einen deutlich geringeren Personaleinsatz erfordert. Daher war es für die Frage der Infrastruktur entscheidend, ob die Tische und Stühle dem Schnellrestaurant zuzurechnen sind. Im Fall der Betriebskantine begründen Mehrweggeschirr und -besteck bereits die für eine Dienstleistung notwendige Infrastruktur, sodass es auf den Pausenraum nicht mehr ankam. Daher stellt die Entscheidung des XI. Senats keine Abweichung von der Rechtsauffassung des V. Senats dar, sodass eine Anrufung des Großen Senats nicht erforderlich war. 

Der Fall zeigt einmal mehr, wie vielfältig der Verzehr an Ort und Stelle aus umsatzsteuerlicher Sicht ist. Je nachdem, welcher Komfort den Kunden geboten wird, wie Geschirr und Tabletts aussehen und was die Umgebung an Sitz- und Verzehrgelegenheiten bietet, kann das Ergebnis anders ausfallen. Es empfiehlt sich unbedingt, in solchen Fällen steuerlichen Rat einzuholen.

(Stand: 09.03.2022)

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