Unterschiedliche Besteuerung von Bestandteilen einer einheitlichen Leistung - EuGH-Vorlage C-516/21
Unterschiedliche Besteuerung einheitliche Leistung
Vermietung/Verpachtung von Grundstücken ist steuerfrei, Betriebsvorrichtungen sind davon ausgenommen
Nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG sind u. a. die Vermietung und die Verpachtung von Grundstücken umsatzsteuerfrei. Nach Satz 2 der Vorschrift sind die Vermietung und Verpachtung von Betriebsvorrichtungen allerdings von der Steuerbefreiung ausgenommen. Dies gilt auch dann, wenn die Betriebsvorrichtungen wesentliche Bestandteile eines Grundstücks sind. Auch Art. 135 Abs. 2 MwStSystRL schließt die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen von der Steuerfreiheit für Grundstücksvermietungen aus.
BFH-Fall: Verpachtung eines Putenstalls mit Betriebsvorrichtungen
Der Kläger verpachtete für ein einheitliches Entgelt ein Stallgebäude zur Putenaufzucht zusammen mit bestimmten Betriebsvorrichtungen, die wesentliche Bestandteile des Grundstücks waren. Nach § 4 Nr. 12 Satz 1 UStG wäre nur die Verpachtung des Putenstalls selbst steuerfrei, die Verpachtung der Betriebsvorrichtungen jedoch steuerpflichtig. Das einheitliche Entgelt müsste entsprechend aufgeteilt werden.
Verpachtung der Betriebsvorrichtungen war unselbstständige Nebenleistung
Nach Auffassung des BFH waren aber gleichzeitig die Voraussetzungen einer einheitlichen Leistung erfüllt: Die Betriebsvorrichtungen waren spezielle Ausstattungselemente des Putenstalls, die nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Damit war die Verpachtung der Betriebsvorrichtungen eine unselbstständige Nebenleistung zur Verpachtung des Putenstalls. Letztere ist ohne Zweifel als Verpachtung eines Grundstücks steuerfrei.
Vorrang der Einheitlichkeit der Leistung oder des Aufteilungsgebots?
Der BFH hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen nur dann steuerpflichtig sei, wenn diese isoliert erfolge, oder auch dann, wenn sie eine Nebenleistung zu einer steuerfreien Gebäudeverpachtung sei. Zu klären ist demnach für den EuGH, ob der Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung Vorrang vor dem Aufteilungsgebot hat – oder umgekehrt.
Rechtsprechung des EuGH uneinheitlich
Die Vorlage des BFH ist angesichts der widersprüchlichen Rechtsprechung des EuGH nachvollziehbar. In den Rechtssachen Talacre Beach Caravan Sales Ltd. (6 Juli 2006, C-251/05) sowie Kommission/Frankreich (6. Mai 2010, C- 94/09) hatte der EuGH noch entschieden, dass Bestandteile einer einheitlichen Leistung unterschiedlich besteuert werden können. Hierauf berief sich der XI. Senat des BFH in seiner Entscheidung vom 24. April 2013 (XI R 3/11). Der Fall betraf § 4 Nr. 11 UStG, demnach die kurzfristige Beherbergung, z. B. in Hotels, dem ermäßigten Steuersatz unterliegt. Davon ausgenommen sind Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen – nach dem Willen des Gesetzgebers z. B. das Frühstück. Der BFH entschied mit Blick auf die bisherige EuGH-Rechtsprechung, dass dieses gesetzliche Aufteilungsgebot unionsrechtskonform sei und selbst dann gelte, wenn eine unselbstständige Nebenleistung zur Vermietung vorliege.
Anders liest sich dagegen das spätere EuGH-Urteil in der Rs. Stadion Amsterdam CV (18. Januar 2018, C-463/16): Der EuGH entschied hier, dass sich bei zwei Leistungsbestandteilen, die im Verhältnis Haupt- und Nebenleistung zueinander stehen, der Steuersatz insgesamt nach der Hauptleistung richte. Es sei nicht zulässig, zwei verschiedene Steuersätze anzuwenden. Der EuGH nimmt hier zwar auf seine früheren Entscheidungen Bezug, argumentiert aber, es habe sich dort um andere Sachverhalte und andere rechtliche Fragen gehandelt. Zumindest mit Blick auf die Entscheidung C-94/09 irritiert dies, denn auch dort ging es um die selektive Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes.
Steuerbescheide offenhalten
Steuerpflichtige, die einheitliche Leistungen erbringen, deren Bestandteile für sich genommen unterschiedlich zu besteuern wären, sollten die entsprechenden Bescheide (weiterhin) offenhalten, wenn eine andere als die bisherige umsatzsteuerliche Behandlung für sie günstiger wäre. Dies betrifft insbesondere Unternehmer, die Grundstücke mit Betriebsvorrichtungen insgesamt steuerfrei vermieten möchten. Auch das Gastgewerbe könnte profitieren, wenn auf Nebenleistungen zur Zimmervermietung ebenfalls der ermäßigte Steuersatz angewendet werden könnte. Hier wird es aber darauf ankommen, dass die strengen Voraussetzungen einer unselbstständigen Nebenleistung erfüllt sind.
(Stand: 31.08.2021)