Referentenentwurf eines JStG 2024 – umsatzsteuerliche Änderungen

Das BMF hat am 8. Mai 2024 einen Referentenentwurf für ein Jahressteuergesetz veröffentlicht. Die wichtigsten umsatzsteuerlichen Neuerungen fassen wir nachfolgend nicht abschließend zusammen. Im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens können sich noch Änderungen ergeben.

Juristische Personen des öffentlichen Rechts, §§ 2b, 27 Abs. 22a UStG

Die Übergangsfrist zur Anwendung von § 2b UStG, der zentralen Umsatzbesteuerungsnorm für juristische Personen des öffentlichen Rechts, soll um weitere zwei Jahre bis zum 1. Januar 2027 verlängert werden. Die Regelung soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Virtuelle Veranstaltungen, § 3a Abs. 3 UStG

In Bezug auf Veranstaltungsleistungen wurden Art. 53 und 54 MwStSystRL mit Wirkung zum 1. Januar 2025 in Bezug auf eine virtuelle Teilnahme ergänzt. § 3a Abs. 3 UStG wird entsprechend angepasst. Derzeit ist der Leistungsort sowohl bei unternehmerischen als auch bei nichtunternehmerischen Kunden immer am Veranstaltungsort. Bei virtuellen Veranstaltungen im B2C-Bereich ist der Leistungsort nach der Neuregelung jedoch am Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kunden, wenn die Leistung per Streaming übertragen oder auf andere Weise virtuell verfügbar gemacht wird. Bei B2B-Kunden gilt die Sonderregel des § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG nach der Neuregelung nicht mehr für virtuelle Veranstaltungen, sodass diese nach der Grundregel des § 3a Abs. 2 UStG am Empfängerort besteuert werden. Die Regelung soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Werklieferungen, § 3 Abs. 4 UStG

Basierend auf der BFH-Rechtsprechung hatte das BMF bereits mit Schreiben vom 1. Oktober 2020 klargestellt, dass eine Werklieferung die Be- oder Verarbeitung eines fremden Gegenstandes voraussetzt. Bei einem eigenen Gegenstand handelt ist dagegen um eine Montagelieferung, für die das Reverse-Charge-Verfahren nach § 13b Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5, Abs. 7 UStG nicht gilt. Die Neufassung passt sich an die Rechtsprechung an. Die Regelung soll am Tag nach der Verkündung des JStG 2024 in Kraft treten. Es handelt sich nur um eine klarstellende Gesetzesänderung, d. h., die ihr zugrunde liegenden Überlegungen gelten auch schon vorher.

Umsatzsteuerlager, § 4 Nr. 4a UStG

Die Steuerbefreiung für Lieferungen in ein oder innerhalb eines Umsatzsteuerlagers und für sonstige Leistungen in diesem Zusammenhang wird ersatzlos gestrichen. Die Regelung soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Kreditverwaltung, § 4 Nr. 8 Buchst. a und g UStG

Neben der Vergabe von Krediten und Kreditsicherheiten soll auch deren Verwaltung durch die Kreditgeber von der Umsatzsteuer befreit werden. Die Regelung soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Private Bildungsleistungen, § 4 Nr. 21 UStG

Die bisherige deutsche Regelung ist nicht mit dem Unionsrecht vereinbar – dies hat die Europäische Kommission in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland entschieden. Die Neuregelung ist eng an Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL angelehnt, das Bescheinigungsverfahren entfällt. Die Regelung soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Unberechtigter Steuerausweis in Gutschriften, § 14c Abs. 2 UStG

Der BFH hatte in seinem Urteil vom 27. November 2019 (V R 23/19) entschieden, dass Gutschriften, die eine Aktiengesellschaft einem Aufsichtsratsmitglied für dessen Aufsichtsratstätigkeit mit Umsatzsteuer ausstellt, für das Aufsichtsratsmitglied keine Steuerschuld nach § 14c Abs. 2 UStG begründen, wenn dieses tatsächlich nicht unternehmerisch tätig war. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Norm, wonach die AG die Gutschrift über Lieferungen oder sonstige Leistungen des Unternehmers abrechnen muss. Die Neufassung schließt diese Lücke durch die Ausweitung auf Gutschriften. Die Regelung soll am Tag nach der Verkündung des JStG 2024 in Kraft treten.

Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6a UStG

Das deutsche Umsatzsteuerrecht regelt den Zeitpunkt, in dem das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, bei Eingangsleistungen von Ist-Versteuerern bislang nicht explizit. Die Finanzverwaltung ging davon aus, dass der Vorsteuerabzug immer im Voranmeldungszeitraum des Leistungsbezugs geltend gemacht werden muss, auch dann, wenn der Leistende den Umsatz gem. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b, § 20 UStG mit Vereinnahmung des Entgelts versteuert. Dies erklärte der EuGH in seinem Urteil vom 10. Februar 2022 (C-9/20) in der Sache „Grundstücksgemeinschaft Kollaustraße 136“ für unionsrechtswidrig: Der Empfänger hat den Vorsteuerabzug bei Zahlung geltend zu machen, wenn der Leistende ein Ist-Versteuerer ist. Die Neuregelung regelt dies nun ausdrücklich; außerdem muss der Ist-Versteuerer einen entsprechenden Rechnungshinweis verwenden. Die Regelung soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Vorsteueraufteilung, § 15 Abs. 4 UStG

Satz 3 der Vorschrift regelt bislang, dass eine Ermittlung des nicht abziehbaren Teils der Vorsteuerbeträge nach dem Verhältnis der Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, zu den Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, nur zulässig ist, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist. Die Neuregelung passt das UStG an die Rechtsprechung des EuGH an, nach der die Mitgliedstaaten einen anderen als den Umsatzschlüssel nur dann verlangen dürfen, wenn keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist, die präzisere Ergebnisse als der Umsatzschlüssel liefert. Die Regelung soll am Tag nach der Verkündung des JStG 2024 in Kraft treten. Da der anderslautende bisherige Wortlaut von § 15 Abs. 4 UStG unionsrechtwidrig war, ist er auch für frühere Zeiträume bereits entsprechend auszulegen.

Kleinunternehmer, § 19 UStG

Die Kleinunternehmerregelung wird grundlegend reformiert. Dies beruht zum einen auf Verpflichtungen, die sich aus der EU-Richtlinie 202/285 ergeben, zum anderen werden davon unabhängige Anpassungen vorgenommen. Nach der bisherigen Regelung wurde die Steuer von Kleinunternehmern nicht erhoben – in Zukunft sind die Umsätze der Kleinunternehmer steuerfrei. Die Regelung darf angewendet werden, wenn der Gesamtumsatz eines in Deutschland ansässigen Unternehmers im vorangegangenen Kalenderjahr 25.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschreitet. Die Kleinunternehmerregelung wird in Deutschland auch Unternehmern aus anderen EU-Mitgliedstaaten eröffnet, wenn der Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 100.000 Euro nicht überschritten hat und im laufenden Kalenderjahr nicht überschreitet und ihnen von der ausländischen Behörde eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer erteilt wurde. Deutschen Unternehmern, die sich im EU-Ausland auf die Kleinunternehmerregelung berufen möchten, erteilt das BZSt auf Antrag eine Kleinunternehmer-Identifikationsnummer. In einem besonderen Meldeverfahren müssen sie unter weiteren Voraussetzungen beim BZSt vierteljährlich eine Umsatzmeldung abgeben. Die Regelung soll am 1. Januar 2025 in Kraft treten.

Nordirland, § 30 UStG

Nach dem Nordirland-Protokoll ist Nordirland für innergemeinschaftliche Lieferungen, innergemeinschaftliche Fernverkäufe und Erwerbe auch nach dem Brexit weiterhin als Gemeinschaftsgebiet anzusehen. Dies setzt die Neuregelung im UStG um. Außerdem wird klargestellt, dass die vom UK erteilten nordirischen USt-ID-Nummern mit dem Präfix „XI“ als von einem anderen Mitgliedstaat der EU erteilt gelten. Die Regelung soll am Tag nach der Verkündung des JStG 2024 in Kraft treten.

Autorin

Nadia Schulte
Tel.: +49 211 83 99 330

Stand: 
28.05.2024 

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