Konsignationslager - BMF-Schreiben vom 10. Dezember 2021

Nach fast zwei Jahren legt sich das BMF mit Schreiben vom 10. Dezember 2021 endlich in einigen Bereichen auf die Handhabung der seit dem 1. Januar 2020 geltenden Konsignationslagerregelung fest und ändert den Umsatzsteueranwendungserlass in weiten Teilen. Unter anderem wird das Verhältnis von § 6b UStG zur Rechtsprechung des BFH aus dem Jahr 2016 geklärt. Überraschend ist die Möglichkeit zur freiwilligen Anwendung der Konsignationslagerregelung. Die wichtigsten Regelungen des BMF-Schreibens fassen wir für Sie zusammen.

Verhältnis zur BFH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2016

Beschickte ein Unternehmer ein Lager in einem anderen EU-Mitgliedstaat, aus dem der Kunde die Ware nach Bedarf entnehmen konnte, war früher nach deutschem Umsatzsteuerrecht stets ein innergemeinschaftliches Verbringen im Abgangsland, ein innergemeinschaftlicher Erwerb im Bestimmungsland bei Ankunft der Ware sowie eine lokale Lieferung bei Entnahme zu erklären. Vereinfachungsregelungen für Konsignationslager, wie sie einige EU-Mitgliedstaaten vorsahen, gab es in Deutschland nicht.

Am 16.November 2016 (V R 1/16) hatte der BFH entschieden, dass von einer innergemeinschaftlichen Lieferung des Verkäufers im Abgangsland und einem innergemeinschaftlichen Erwerb des Kunden ausgegangen werden kann, wenn der Abnehmer (Kunde) die Ware bei Beginn der Beförderung oder Versendung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hatte. Damit musste sich der Lieferer in diesen Fällen im Bestimmungsland nicht umsatzsteuerlich registrieren lassen.

Als Bestandteil der sog. Quick Fixes wurde zum 1. Januar 2020 EU-weit eine einheitliche Konsignationslagerregelung eingeführt (Artikel 17a MwStSystRL), die der deutsche Gesetzgeber u. a. mit § 6b UStG umgesetzt hat. Dies warf die Frage auf, ob die BFH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2016 dadurch verdrängt wird. Dem BMF-Schreiben lässt sich entnehmen, dass BFH-Rechtsprechung und § 6b UStG nebeneinander anwendbar bleiben und auch nicht miteinander konkurrieren, weil sie verschiedene Sachverhalte betreffen. Das BMF hebt an vielen Stellen des geänderten UStAE hervor, dass § 6b UStG bereits dem Grunde nach nicht anwendbar sei, wenn der Kunde die Ware bei Beginn der Warenbewegung bereits verbindlich bestellt oder bezahlt hat. Dieser Fall soll grundsätzlich nach wie vor über die BFH-Rechtsprechung gelöst werden. § 6b UStG bezieht sich hingegen auf Situationen, in denen gerade keine verbindliche Bestellung oder Bezahlung vorliegt. Das BMF stellt in diesem Zusammenhang klar, dass eine nur wahrscheinliche Begründung der Abnehmerstellung nicht ausreicht.

Das Ergebnis beider Regelungen ist nur auf ersten Blick gleich: Zwar kann in beiden Fällen von einer innergemeinschaftlichen Lieferung des Lieferanten und einem innergemeinschaftlichen Erwerb des Kunden ausgegangen werden, die dem Lieferanten die Registrierung im Bestimmungsland erspart. Es bestehen aber erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Zeitpunkts der jeweiligen Meldung und der einzuhaltenden Formalitäten.

„Verzicht“ und gewillkürte Anwendung von § 6b UStG

Sind die Voraussetzungen von § 6b UStG erfüllt, ist die Konsignationslagerregelung zwingend anzuwenden. Allerdings betont das BMF, dass es der Unternehmer in der Hand hat, die Erfüllung der Voraussetzungen zu steuern. Führt er z. B. das besondere Register nach § 22 Abs. 4f UStG nicht, ist die Konsignationsregelung nicht anwendbar.

Überraschenderweise erlaubt es das BMF, § 6b UStG auch dann anzuwenden, wenn die Ware bei Beginn der Warenbewegung schon verbindlich bestellt oder bezahlt wurde, wenn die übrigen Voraussetzungen vorliegen. Hierbei handelt es sich um eine gewillkürte Anwendung von § 6b UStG, die eine entsprechende Vereinbarung zwischen dem Lieferanten und dem Kunden voraussetzt.

Beide Maßnahmen zusammen verschaffen den Unternehmen mehr Gestaltungsspielraum und auch mehr Rechtssicherheit: Versehentlich in die Konsignationslagerregelung hineinzuschlittern, ist somit kaum möglich. Wenn die Anwendung der Konsignationslagerregelung gewünscht ist, müssen die Voraussetzungen allerdings weiterhin sorgfältig geprüft werden. Auch die gewillkürte Anwendung ist nur dann möglich, wenn alle Voraussetzungen außer der noch nicht erfolgten verbindlichen Bestellung/Bezahlung vorliegen.

Keine Ansässigkeit im Bestimmungsland: Problem Lager/Titanium-Rechtsprechung

Der Lieferant darf für die Anwendung von § 6b UStG im Bestimmungsland nicht ansässig sein. Das BMF stellt klar, dass auch ein im Bestimmungsland ansässiger Betriebsteil, der am Liefergeschehen nicht beteiligt ist, insoweit schädlich sei. Laut BMF soll ein eigenes oder angemietetes Lager, das mit eigenen Mitteln („z. B. Personal“) betrieben wird, schon zur Ansässigkeit führen. Dies scheint eine Reaktion auf die Überlegungen des MwSt-Ausschusses der EU zu sein, welcher sich in einem Arbeitspapier vom 15. Mai 2019 mit dieser Frage eingehend auseinandergesetzt hat. Vor diesem Hintergrund erscheint die Aussage des BMF recht pauschal – es stellt sich insbesondere die Frage, ob vor dem Hintergrund des Betriebsstättenbegriffs der MwStSystRL weitere Anforderungen an die Befugnisse des Personals zu stellen sind. Das BMF befasst sich hier außerdem nicht mit den möglichen Auswirkungen der jüngsten EuGH-Rechtsprechung, zu der es sich allgemein noch nicht positioniert hat: Mit Urteil vom 3. Juni 2021 (C-931/19) in der Rechtssache „Titanium“ arbeitete der EuGH heraus, dass eine Betriebsstätte zwingend auch personelle Mittel erfordert. Ein eigenes oder gemietetes Lager ohne Personal dürfte damit auch im Sinne der Konsignationslagerregelung nicht zur Ansässigkeit führen. Das Titanium-Urteil lässt aber aus unserer Sicht den Schluss zu, dass auch Dritte, die die Immobilie (das Lager) verwalten, unter Umständen als „personelle Mittel“ angesehen werden könnten, wenn sie über umfangreiche Befugnisse verfügen. Dies sollte im Einzelfall sorgfältig geprüft werden.

Weitere ausgewählte Regelungen

  • Bei Reihengeschäften kommt die Konsignationslagerregelung nicht in Betracht.
  • Die Konsignationslagerregelung setzt eine Entnahme binnen einer Frist von zwölf Monaten voraus. Das BMF weist darauf hin, dass die Fristberechnung nicht nach den Vorschriften der Abgabenordnung vorzunehmen ist, sondern nach Artikel 2 und 3 der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1183/71 vom 3. Juni 1971.
  • Für bestimmte Waren soll es nicht beanstandet werden, wenn für Zwecke der Fristberechnung das FIFO-Verfahren (First in, first out) angewendet wird.
  • „Kleine Verluste“ im Lager von wenige als 5 Prozent sollen nicht zum Wegfall der Voraussetzungen des § 6b UStG führen, d. h. der Lieferer muss sich deswegen nicht im Bestimmungsland registrieren lassen.

Das BMF-Schreiben ist (rückwirkend) auf alle Umsätze anzuwenden, welche die Lieferung von Gegenständen in ein Lager im Sinne des § 6b UStG betreffen, für die der Transport am oder nach dem 1. Januar 2020 begonnen hat.

Die Änderungen des BMF-Schreibens umfassen weitere Bereiche, die hier nicht erschöpfend dargestellt werden können. Bei Fragen stehen Ihnen das VAT-Team und natürlich auch Ihr gewohnter Ansprechpartner jederzeit gern zur Verfügung.

(Stand: 22.12.2021)

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