E-Mobility: EuGH bestätigt Kommissionsmodell
E-Mobility: EuGH bestätigt Kommissionsmodell
Sachverhalt
Der deutsche E-Mobility-Provider Digital Charging Solutions GmbH (DCS) eröffnet in Schweden den Nutzer*innen von Elektrofahrzeugen Zugang zu einem Netzwerk von Ladepunkten. Das Netzwerk bietet innen in Echtzeit Informationen über Preise, Standorte und Verfügbarkeit der Ladepunkte sowie Funktionen für das Auffinden und die Routenplanung. Die Ladepunkte werden von Betreibern bereitgestellt, mit denen DCS Verträge abgeschlossen hat. DCS stattet die Kund*innen mit einer Karte und einer Authentifizierungs-App aus, wodurch das Laden beim Ladepunktbetreiber registriert wird. Dieser stellt dann über den Ladevorgang eine Rechnung an DCS aus, DCS belastet den Ladevorgang an den*die Nutzer*in weiter. Außerdem berechnet DCS ein feststehendes Entgelt für den Netzwerkdienst, unabhängig davon, ob man während des betreffenden Zeitraums Elektrizität gekauft hat, und auch unabhängig von der eventuell gekauften Menge.
Vorlagefragen und EuGH-Entscheidung
Das schwedische vorlegende Gericht wollte zunächst wissen, ob eine Leistung, die im Aufladen eines Elektrofahrzeugs besteht, eine Lieferung von Gegenständen sei. Wenig überraschend bejahte dies der EuGH mit dem Hinweis darauf, dass Elektrizität nach Art. 15 Abs. 1 MwStSystRL körperlichen Gegenständen gleichgestellt ist.
Den eigentlichen Knackpunkt stellt die zweite Frage dar: Kann in dem hier vorliegenden Drei-Personen-Verhältnis von einer Reihenlieferung ausgegangen werden, bei der der Betreiber der Ladepunkte Elektrizität an DCS liefert und DCS diese Elektrizität an die Tankkund*innen weiterliefert, obwohl nur Letztere über Umstände wie Menge, Zeitpunkt und Ort der Aufladung sowie die Art der Verwendung der Elektrizität entscheiden können? Diese Frage zielt darauf ab, ob dies im Lichte der EuGH-Urteile „Auto Lease Holland“ und „Vega International“ verneint werden muss oder ob das vom MwSt.-Ausschuss für die Tankkarten vorgeschlagene Kommissionsmodell angewendet werden kann. Die Generalanwältin hatte sich in ihrem Schlussantrag für das Kommissionsmodell ausgesprochen.
Der Gerichtshof stellte fest, dass sich der vorliegende Fall sowohl von „Auto Lease Holland“ als auch von „Vega International“ in wesentlichen Punkten unterscheidet. Bei „Auto Lease Holland“ habe ein Leasingvertrag vorgelegen, bei dem der Leasinggeber den Kraftstoff vorfinanziert habe. Dies sei im Fall von DCS nicht gegeben, da DCS keine Gebühr in Höhe eines Prozentsatzes des in Rechnung gestellten Verbrauchs, sondern eine davon unabhängige, feste Gebühr erhebe. Im Fall „Vega International“ habe eine Muttergesellschaft mit von ihr ausgegebenen Tankkarten die Kraftstoffversorgung ihrer Tochtergesellschaften organisiert, bereits deshalb sei dieser Fall mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
Der EuGH schließt sich sodann dem Schlussantrag der Generalanwältin an. DCS nehme (aus deutscher Sicht untechnisch gesprochen) die Stellung eines Vermittlers ein, sodass die Voraussetzungen des Kommissionsgeschäfts nach Art. 14 Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL zu prüfen seien, bei der der Mittelsmann im eigenen Namen, aber auf fremde Rechnung handle. Im Ergebnis führe die Regelung zu einer fingierten Reihenlieferung, obwohl zivilrechtlich eine Direktlieferung vorliege. Dafür müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Dem Kommissionär (dem E-Mobility-Provider) muss ein Auftrag vom Kommittenten (dem Kartenkunden) erteilt werden, im eigenen Namen, aber auf Rechnung des Kartenkunden Elektrizität zu kaufen (Einkaufskommission).
- Zwischen den Leistungen muss Gleichartigkeit bestehen.
Voraussetzung 1 müsse zwar letztlich das vorlegende Gericht prüfen, der EuGH sieht dies hier jedoch als möglich an.
In Bezug auf Voraussetzung 2 sieht der EuGH kein Problem, da die gelieferte Elektrizität identisch ist. Teilweise wurde im Zusammenhang mit dem Schlussantrag der Generalanwältin thematisiert, dass der Ladepunktbetreiber nur Elektrizität liefere, während der E-Mobility-Provider ergänzende Dienstleistungen erbringe, was möglicherweise die Gleichartigkeit ausschließe. Da der EuGH im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis kam, dass die ergänzenden Dienstleistungen von DCS von der Lieferung der Elektrizität unabhängig sind, stellte sich diese Frage aber nicht. Grund für dieses Ergebnis war im Wesentlichen, dass für die gesonderten Dienstleistungen unabhängig von der Elektrizitätslieferung ein Entgelt zu zahlen war.
Praktische Einordnung
Obwohl der EuGH die finale Beurteilung dem vorlegenden Gericht überlässt, sieht er die Voraussetzungen eines Kommissionsgeschäfts hier wohl als erfüllt an, was mehr Klarheit für die Branche schafft. Ein wichtiger Aspekt ist aber, dass die ergänzenden Dienstleistungen des E-Mobility-Providers unabhängig von der Elektrizitätslieferung berechnet werden. Modelle, bei denen ein Prozentsatz des Elektrizitätsverbrauchs veranschlagt wird, laufen Gefahr, in den Bereich der Finanzierungsleistung hineinzurutschen.
Auch beim Kommissionsmodell ist, wie bei jeder Elektrizitätslieferung, zu prüfen, ob Beteiligte Wiederverkäufer i. S. d. § 3g UStG sind, wo der Leistungsort liegt und ob das Reverse-Charge-Verfahren einschlägig ist. Ob der Kunde Unternehmer ist, muss dabei sorgfältig geprüft werden.
Nicht vergessen werden darf die Prüfung, ob ergänzende Dienstleistungen des E-Mobility-Providers tatsächlich selbstständige Leistungen oder Nebenleistungen zur Elektrizitätslieferung sind. Entsprechend gelten gänzlich unterschiedliche Regeln.