BMF veröffentlicht Entwurf zur Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023

03.09.2024. Am 14. August 2024 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) einen Entwurf zur Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise (VWG VP) 2023 vom 6. Juni 2023 hinsichtlich des Themenbereichs „Konzerninterne Finanzierungsbeziehungen“ (Kapitel III. J. der VWG VP) veröffentlicht (BMF-Entwurfsschreiben). Die Verbände, an die der Entwurf geschickt wurde, können bis zum 6. September 2024 ihre Stellungnahme abgeben.

Die im BMF-Entwurfsschreiben vorgeschlagenen Änderungen der VWG VP 2023 behandeln die neuen Regelungen für grenzüberschreitende Finanzierungsbeziehungen und ­dienstleistungen, die mit § 1 Abs. 3d und 3e AStG im Rahmen des am 22. März 2024 durch den Bundestag verabschiedeten Wachstumschancengesetzes eingeführt wurden.

Gesetzliche Grundlage – Wachstumschancengesetz

Eine Übersicht über die dem Entwurf zugrunde liegenden gesetzlichen Änderungen und möglicher empfohlener Handlungen bietet die nachfolgende Grafik:

BMF veröffentlicht Entwurf zur Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023
BMF veröffentlicht Entwurf zur Überarbeitung der Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise 2023

Auslegung der Finanzverwaltung – BMF-Entwurfsschreiben

Das BMF definiert in seinen Verwaltungsanweisungen die verwaltungsseitige Auslegung des geltenden Rechts, um eine einheitliche und für den Steuerpflichtigen vorhersehbare Rechtsanwendung durch die jeweils im Einzelfall tätige Finanzbehörde sicherzustellen.

Zu § 1 Abs. 3d AStG konkretisiert das BMF-Entwurfsschreiben unter Verweis auf die einschlägige Rechtsprechung und die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien (insbesondere Kapitel X) nun die Kriterien für eine Finanzierung mit Fremdkapital und damit die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zins- und anderen Finanzierungsaufwendungen. Als Grundlage hierfür werden der tatsächliche Geschäftsvorfall und die Funktions- und Risikoprofile der beteiligten verbundenen Unternehmen festgelegt. Diese Definition der Ausgangslage und des Beurteilungsrahmens ist zunächst begrüßenswert.

In Anlehnung an das Gesetz wird auf die Anforderungen an die Fähigkeit des Schuldners zum Kapitaldienst (Zins und Tilgung) zum Zeitpunkt der Darlehensvergabe abgestellt. Die Einbeziehung der Darlehensverwendung in die Betrachtung ist vorsichtig als „Kann-Regelung“ ausgeführt, was ebenfalls zu begrüßen ist. Schließlich vereinbaren auch fremde Dritte Betriebsmittelkredite oder Kreditlinien ohne festen Verwendungszweck. Auch die Feststellung, dass die Notwendigkeit einer Anschlussfinanzierung nicht fremdunüblich sein muss, erscheint sachgerecht. Die weiteren Kriterien, die laut Verwaltungsauffassung in der notwendigen Gesamtschau zu untersuchen sind, folgen jedoch nicht zwingend dem Fremdvergleichsgrundsatz. So sind vertragliche Regelungen zur Verzinsung, zur Fälligkeit und zur Durchsetzung von Kapital- und Zinszahlungen zumindest nach deutschen zivilrechtlichen Grundsätzen nicht erforderlich, da bei deren Fehlen die allgemeinen Regeln des Zivilrechts greifen. Zudem vereinbaren auch fremde Dritte Darlehen, die tilgungsfrei oder endfällig gestellt sind oder bei denen die Zinsen kapitalisiert werden.

Des Weiteren enthält der Entwurf Ausführungen zum Bedarf und zur Verwendung der aufgenommenen Mittel. Positiv hervorzuheben sind die Klarstellungen, dass Fremdkapital oft mit einem gewissen Puffer für unvorhergesehene Kosten einer Akquisition aufgenommen wird oder auch zur Finanzierung einer Gewinnausschüttung verwendet werden kann.

Für die Überprüfung der Fremdüblichkeit eines Zinssatzes der Höhe nach sind weiterhin Faktoren wie z. B. Zweck des Darlehens, Laufzeit, Darlehensvolumen, Besicherung und diverse Risiken sowie die Bonität des Darlehensnehmers zu berücksichtigen. Dabei soll grundsätzlich auf das Gruppenrating abgestellt werden. Alternativ ist die Ableitung eines Ratings aus dem Konzernrating möglich, wobei in diesem Fall die Bonitätseinschätzung inkl. der fremdüblichen qualitativen und quantitativen Faktoren sowie die Berücksichtigung eines möglichen Konzernrückhalts dargelegt werden müssen.

In der Praxis führt diese Regelung in den Fällen, in denen ein Einzelrating zur Bestimmung eines fremdüblichen Zinssatzes zugrunde gelegt wird, zu einer Beweislastumkehr zulasten des Steuerpflichtigen. Die im BMF-Entwurfsschreiben erneut aufgestellte Vermutung, dass das Gruppenrating einem Einzelrating vorzuziehen ist, erscheint ebenfalls nicht zwingend. Vielmehr handelt es sich auch hier um eine Frage des Einzelfalls, ob Gruppen- und Einzelrating auseinanderfallen oder deckungsgleich sind. Das sachgerechtere Rating verdient dann den Vorzug.

Insgesamt verbleibt es bei den durch den neuen § 1 Abs. 3d AStG erschwerten Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit ein Darlehen – dem Grunde nach – als Fremdkapital qualifiziert werden kann. Allerdings war auch nicht zu erwarten, dass das BMF-Entwurfsschreiben in diesem Punkt Zugeständnisse enthält.

In § 1 Abs. 3e AStG wird die Ausübung konzerninterner Finanzierungsfunktionen als funktions- und risikoarme Dienstleistungen klassifiziert. Das BMF-Entwurfsschreiben definiert die Finanzierungsfunktionen als Unterstützungsfunktionen für das Kerngeschäft, bei denen für Bestimmung des Fremdvergleichspreises grundsätzlich die Preisvergleichsmethode anzuwenden ist, unabhängig von der Rolle der darlehensgebenden Gesellschaft. Von diesem Grundsatz sind Fälle ausgenommen, in denen Finanzierungsfunktionen zentraler Bestandteil der Wertschöpfung sind, z. B. bei Banken oder Versicherungen. Ähnlich behandelt werden soll die Steuerung von Finanzmitteln innerhalb der Unternehmensgruppe, z. B. Liquiditätsmanagement, Finanzrisikomanagement, Währungsrisikomanagement oder die Tätigkeit als Finanzierungsgesellschaft. Eine abweichende Klassifizierung der Finanzierungstätigkeit als wertschöpfende Funktion muss der Steuerpflichtige anhand einer detaillierten Funktions- und Risikoanalyse nachweisen.

Auch hier stehen der eingangs festgestellte Grundsatz, dass ausgehend vom Funktions- und Risikoprofil der Einzelfall zu analysieren ist, und die weiteren Ausführungen im BMF-Entwurfsschreiben zur neuen Gesetzeslage im Gegensatz zueinander. Die Vermutung, dass verbundene Unternehmen ein typisiertes Funktions- und Risikoprofil aufweisen, wird weder begründet noch ist sie in irgendeiner Weise sonst naheliegend.

Zusammenfassende Bewertung

Aus Sicht der Steuerpflichtigen ist das BMF-Entwurfsschreiben insoweit zu begrüßen, als es die mit den § 1 Abs. 3d und 3e AStG eingeführten Neuregelungen präzisiert, z. B. hinsichtlich der Voraussetzungen für die Fremdüblichkeit eines Darlehens dem Grunde nach oder der Bestimmung des Ratings. An Grenzen stößt das BMF-Entwurfsschreiben, wenn bereits die auszulegende Gesetzeslage einzelne Aspekte (wie vermutete Ratings oder vermutete Funktions- und Risikoprofile) unausgewogen regelt. Kritisch zu sehen ist die Tatsache, dass die eingeführten Neuregelungen nicht für Outbound- und Inbound-Fälle gleichermaßen angewandt werden. Einseitige Regelungen zum inländischen Betriebsausgabenabzug von Transaktionen zwischen verbundenen Unternehmen führen in der Gesamtheit der Fälle zwangsläufig zu Verwerfungen. Es bleibt abzuwarten, welche der im Entwurfsschreiben skizzierten Erläuterungen Einzug in die Verwaltungsgrundsätze Verrechnungspreise finden werden.

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