Der grüne Auftraggeber – Nachhaltigkeit als Trend im Vergaberecht

Nachhaltigkeit liegt voll im Trend und soll nach Möglichkeit bei allem und von jedem berücksichtigt werden. Allzu oft wird hierbei der Finger auf den Verbraucher gerichtet, während öffentliche Auftraggeber als Nachfrager von Leistungen häufig weniger im Fokus stehen. Dies soll sich nun ändern.

Die Europäische Kommission hat am 18. Juni 2021 ihren Leitfaden für die sozialorientierte Beschaffung („Sozialorientierte Beschaffung – ein Leitfaden für die Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge“) in 2. Auflage veröffentlicht und will öffentlichen Auftraggebern hierdurch geeignete Mittel an die Hand geben, um ihre Beschaffungen in Zukunft nachhaltiger zu gestalten. Aber auch private Auftraggeber können sich, insbesondere wenn sie öffentliche Fördermittel erhalten und hierdurch an das Vergaberecht gebunden werden, hieran ein Beispiel nehmen.

Die Kommission fasst unter dem Begriff der Nachhaltigkeit soziale/ethische, ökologische und wirtschaftliche Aspekte zusammen. Sie verweist zunächst auf bereits bestehende Verpflichtungen, die alle Auftraggeber einzuhalten haben. Hierzu zählt z. B. die UN-Behindertenrechtskonvention, nach der öffentliche Auftraggeber ihre Leistungen gegenüber der Bevölkerung physisch wie digital möglichst behindertengerecht ausgestalten sollen.

Auch das neue Lieferkettengesetz dient der verbesserten sozialorientierten Beschaffung. Dieses verpflichtet Unternehmen, ab 2023 ein Risikomanagementsystem hinsichtlich der Achtung der Menschenrechte in den Lieferketten und des Schutzes vor Gesundheits- und Umweltgefahren zu etablieren, die hierfür erforderliche Transparenz zu erhöhen, Maßnahmen zu Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu ergreifen und gegen potenzielle Verstöße vorzugehen. Dies bedeutet aber nicht, dass sich öffentliche Auftraggeber und Unternehmen nicht bereits jetzt ein Beispiel an den Regelungen nehmen können.

Mögliche Maßnahmen zur Berücksichtigung der sozialen Aspekte sind laut dem Leitfaden z. B. deren Berücksichtigung in der Leistungsbeschreibung, den Eignungs- und/oder Zuschlagskriterien, die Erarbeitung des Beschaffungsbedarfs in Kooperation mit Beschaffungsexperten, Unternehmen oder Organisationen, die über Expertise hinsichtlich des tatsächlich bestehenden Bedarfs verfügen oder diesen ermitteln können; eine Risikoeinschätzung, wo in der Ausschreibung ggf. soziale Belange betroffen sein können (Sozialdumping, Auslagerung der Subunternehmerleistungen ins Ausland und ggf. schlechte Arbeitsbedingungen, Verwendung importierter Rohstoffe), die Herstellung der erforderlichen Transparenz durch Auftragnehmer und deren Nachunternehmer und der Austausch mit anderen öffentlichen Auftraggebern.

Der Leitfaden weist neben seinen diversen Anregungen jedoch auch darauf hin, dass die Ermittlung des Bedarfs teils sehr langwierig und aufwendig sein kann und zwischen der Nachhaltigkeit und der Wirtschaftlichkeit der Angebote abgewogen werden muss. Auftraggeber und Unternehmen sollten also prüfen, ob die von ihnen beschaffte Leistung besonders auch von den benachteiligten Gruppen genutzt werden soll. Dies trifft zum Beispiel auf soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser, Bildungs- und Pflegeeinrichtungen zu. Hinsichtlich der Beschaffung von Waren wiederum dürften alle Auftraggeber, ob öffentlich oder privat, gefragt sein, um die Ausbeutung von Menschen und der Umwelt in Zukunft nicht weiter zu fördern.

Inwieweit Unternehmen diesen finanziellen und personellen Mehraufwand in Kauf nehmen wollen und können, ist derzeit noch nicht absehbar. Vor dem Hintergrund, dass viele Unternehmen mittlerweile mit ihrer Nachhaltigkeit werben und sich als „grün“ präsentieren, wäre es aber wohl an der Zeit, den Worten auch weitere Taten folgen zu lassen.

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Autorin

Theresa Katharina Klemm
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Dies ist ein Beitrag aus unserem Health-Care-Newsletter 3-2021. Die gesamte Ausgabe finden Sie hier. Sie können diesen Newsletter auch abonnieren und erhalten die aktuelle Ausgabe direkt zum Erscheinungstermin.

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