Neue Schwellenwerte für Kapitalgesellschaften
Damit wird die EU-Bilanzrichtlinie angepasst. Diese Änderung hat weitreichende Folgen für die finanziellen und nachhaltigkeitsbezogenen Berichtspflichten von Unternehmen.
Um der Inflation Rechnung zu tragen und den bürokratischen Aufwand für Unternehmen zu reduzieren, kündigte die Europäische Kommission im Herbst 2023 eine Anhebung der Schwellenwerte in der Bilanzrichtlinie an. Diese Änderung ist durch die Veröffentlichung der Delegierten Richtlinie 2023/2775 im EU-Amtsblatt in Kraft getreten und gilt für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2024, allerdings müssen die EU-Mitgliedstaaten die Änderung bis Ende 2024 noch in nationales Recht umsetzen. Die Mitgliedstaaten dürfen dabei den Unternehmen gestatten, die neuen Größenkriterien auch rückwirkend auf Geschäftsjahre anzuwenden, die am oder nach dem 1. Jänner 2023 beginnen. Nachdem sich die Corporate Sustainability Reporting Directive in der Festlegung des Geltungsbereichs auf die Bilanzrichtlinie stützt, hat die Anhebung der Schwellenwerte auch direkte Auswirkungen auf nachhaltigkeitsbezogene Berichtspflichten.
Konkret sehen die angepassten Schwellenwerte auf EU-Ebene folgendermaßen aus:
| Kleinstunternehmen1 | Kleine Unternehmen oder Gruppen13 | Mittlere Unternehmen oder Gruppen1 | Große Unternehmen oder Gruppen2 | ||||
| Bisher | Neu | Bisher | Neu | Bisher | Neu | Bisher | Neu |
Bilanzsumme | 350 TEUR | 450 TEUR | 4 Mio. EUR | 5 Mio. EUR | 20 Mio. EUR | 25 Mio. EUR | 20 Mio. EUR | 25 Mio. EUR |
Netto-umsatzerlöse | 700 TEUR | 900 TEUR | 8 Mio. EUR | 10 Mio. EUR | 40 Mio. EUR | 50 Mio. EUR | 40 Mio. EUR | 50 Mio. EUR |
Anzahl Beschäftigte | 10 | 10 | 50 | 50 | 250 | 250 | 250 | 250 |
1 Wenn am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei Größenmerkmale nicht überschritten werden.
2 Wenn am Bilanzstichtag mindestens zwei der drei Größenmerkmale überschritten werden.
3 Die EU-Richtlinie 2013 erlaubte den Mitgliedstaaten, höhere Schwellenwerte für kleine Unternehmen festzulegen –Österreich nahm davon Gebrauch und hatte bisher schon 5 (Bilanzsumme) und 10 Mio. (Umsatz) EUR als Schwellenwerte für Kleinunternehmen. Auch die neue EU-Richtlinie lässt höhere Schwellenwerte für kleine Unternehmen zu.
Hintergrund zu den Schwellenwerten und ihren Anpassungen
Die Klassifizierung von Unternehmen hat weitreichende Folgen in Hinblick auf Rechnungslegungs- und Berichterstattungspflichten. Grundsätzlich dient die Klassifizierung dem Zweck, den Aufwand und die Kosten für kleinere Unternehmen zu reduzieren, während größeren Unternehmen erhöhte Transparenzverpflichtungen auferlegt werden. Die Europäische Kommission ist verpflichtet, die Schwellenwerte mindestens alle fünf Jahre zu überprüfen. Aufgrund der anhaltend hohen Inflationsraten war eine Anpassung der Schwellenwerte notwendig, um zu verhindern, dass kleinere Kapitalgesellschaften nur aufgrund des Inflationseffekts in höhere Größenklassen rutschen. Ziel der Anpassung ist demnach nicht, zusätzliche Erleichterungen für Unternehmen zu schaffen, sondern die Inflationseffekte auszugleichen. Für die Berechnung der neuen Schwellenwerte zog die EU-Kommission die kumulierte Inflation seit 2013 (als die Schwellenwerte zuletzt angepasst wurden) als Basis heran.
Unklare Rechtslage und fehlende Planungssicherheit
Wie eingangs erwähnt, muss die EU-Richtlinie zur Änderung der Schwellenwerte noch durch die Mitgliedstaaten auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Auf Österreich bezogen heißt das, dass § 221 UGB („Ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften“) geändert werden muss. Was kleine Unternehmen oder Gruppen anbelangt, erlaubte die Richtlinie 2013 den Mitgliedstaaten, höhere Schwellenwerte festzulegen. Die gleiche Freiheit wird den Mitgliedstaaten in der Umsetzung der neuen Richtlinie gewährt. Österreich machte davon in der Vergangenheit Gebrauch und hatte bisher schon 5 (Bilanzsumme) bzw. 10 (Umsatz) Mio. EUR als Schwellenwerte für Kleinunternehmen. Es ist daher auch diesmal mit einer verhältnismäßigen Anhebung der Schwellenwerte für Kleinunternehmen im österreichischen UGB zu rechnen.
Die EU-Kommission hat darüber hinaus den Mitgliedstaaten in der Umsetzung ein Wahlrecht eingeräumt, die neuen Schwellenwerte bereits rückwirkend auf Geschäftsjahre anzuwenden, die am oder nach dem 1.1.2023 begonnen haben. Macht ein Mitgliedstaat davon nicht Gebrauch, ist der 1.1.2024 der verbindliche Stichtag für die neuen Größenkriterien.
Nachdem die Größenkriterien im UGB noch nicht angepasst wurden, herrscht aktuell ein Konflikt zwischen den Vorgaben der EU-Richtlinie und den österreichischen gesetzlichen Vorgaben. Hinzu kommt, dass derzeit noch nicht bekannt ist, ob die österreichische Gesetzgebung von der Möglichkeit der rückwirkenden Anpassung der Schwellenwerte Gebrauch machen wird. Für Unternehmen, die inflationsbedingt die alten Schwellenwerte knapp überschreiten und somit in eine höhere Größenklasse rutschen würden, bedeutet das eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Den Unternehmen entstehen bereits jetzt Kosten, wenn sie sich – basierend auf der aktuell für Österreich geltenden Rechtslage mit den alten Schwellenwerten – auf ausgeweitete Berichtspflichten vorbereiten. Eine rasche Umsetzung der Änderung des UGB und eine klare Kommunikation seitens des österreichischen Gesetzgebers hierzu wäre also dringend notwendig.